Johann-Jotzo-Stiftung
Ausführliche Meldung
Dankbarkeit als Lebensantrieb
SWR4 Blickpunkt - mit Stefan Claaß von der Evangelischen Kirche.
"Ich bin dankbar, weil Gott mir dieses Leben geschenkt hat, weil Gott mich so wunderbare Wege geführt hat, weil ich den Segen spüre." Das sagt Johann Jotzo aus Mainz. Zu seinem 70. Geburtstag ist er auf Inline-Skatern und zu Fuß nach Ostpreußen gelaufen. 1600 Kilometer. Warum er das gemacht hat, davon gleich mehr.
Teil 1
SWR 4, Blickpunkt Kirche.
"Suchen. Und Finden." So heißt das Motto zum ökumenischen Jahr der Bibel 2003. Johann Jotzo aus Mainz hat seinen Lebenssinn im Glauben an den Gott der Bibel gesucht und gefunden. Für seine Reise hat er ein Faltblatt herausgegeben. Darin hat Jotzo das Motto dieses Bibeljahres für sich umformuliert und auf sein Leben gedeutet: "Leben. Und Danken." Darin drückt sich seine Lebenserfahrung aus 70 Jahren aus. Aber Johann Jotzo ist kein Mensch, der solchen Dank nur im kleinen privaten Kreis äußern würde. Seit vielen Jahren gibt er an andere Menschen weiter, was er selbst an Gutem in seinem Leben erfahren hat. So kam er auch auf die Idee, den Dank für 70 Lebensjahre sichtbar zu machen. Sichtbar durch eine Pilgerreise. Zu Fuß und auf Inline-Skatern wollte Johann Jotzo von Mainz nach Funken in Ostpreußen wandern. 1600 Kilometer in vierzig Tagen von seinem jetzigen Wohnort zu seinem Geburtsort. Es sollte eine Dankes-Tour für Gott werden und eine Versöhnungsreise zwischen Deutschland und Polen. Nicht wenige Menschen, manche in seiner Umgebung, waren skeptisch: mit 70 Jahren 1600 Kilometer auf Inline-Skatern bis nach Ostpolen fahren? Dazu gehört wirklich Gottvertrauen! Und das hat Johann Jotzo. Familie und Freunde sind schon einiges von ihm gewöhnt. Wochen- und monatelang hat er im Rheinhessischen trainiert, hat für seine Tour geworben und viel Unterstützung gefunden. Jetzt, wo er wieder zu Hause ist, blickt er dankbar und froh zurück.
Insgesamt möchte ich von dieser Reise sagen, daß ich erlebt habe, wie fröhlich einem die Menschen begegnet sind, wie wohlwollend, wie hilfsbereit sie einem entgegenkamen, als sie hörten, auf welcher Reise man ist. Es war sowohl in Deutschland auch in Polen. In Polen natürlich besonders deswegen, weil man ja nicht unbedingt erwarten kann, daß wenn ein Vertriebener da nun anreist, daß er so mit offenen Armen so liebevoll empfangen wird. Und mit so viel Entgegenkommen."
Unterstützt haben Jotzo die christlichen Vereine junger Menschen, CVJM, von denen er einige mitbegründet hat. Aber auch die Vereine und Gemeinden auf dem Weg halfen mit Unterkünften oder haben ihn ein Stück Wegs begleitet. Für den Weg durch Polen konnte er nicht so gut im Voraus organisieren. Zwei Freunde haben ihn im Auto begleitet. Und es war für den evangelischen Pilger hilfreich, einen freundlichen Empfehlungsbrief von Kardinal Lehmann dabeizuhaben.
"Ja, wir haben natürlich auch Tolles erlebt: wer wäre zum Beispiel bei uns, wenn da drei Typen ankommen und wollen übernachten, wer würde dann die eigenen Familienmitglieder aus ihren Betten tun und die Fremden darin schlafen lassen? Also ich wüßte nicht, wer das hier bei uns tun würde. Vielleicht kenne ich solche Leute nicht, vielleicht gibt es sie auch wirklich. Aber dort war das selbstverständlich, das ist uns mehrmals widerfahren."
Teil 2
Blickpunkt Kirche auf SWR 4 heute über eine ungewöhnliche Pilgerreise nach Ostpolen. Am Pfingstsonntag ist der Mainzer Johann Jotzo in seinem Geburtsort Funken in Masuren angekommen. Nach vierzig Tagen und 1600 Kilometern auf Inline-Skatern und zu Fuß. Der Tag der Ankunft war zugleich sein 70. Geburtstag. Nicht wenige Zeitgenossen haben sich gefragt: Warum tut sich ein Mensch so etwas an? Was will er sich oder anderen beweisen? Aber Jotzo wollte weniger beweisen, wie zäh er ist. Er wollte vor allem Gott mit diesem Pilgerweg danken für ein gesegnetes und in vielen Gefahren bewahrtes Leben.
"Ja die Dankbarkeit - ich bin deswegen dankbar, weil, ja weil Gott mir dieses Leben geschenkt hat, weil Gott mich so wunderbare Wege geführt hat, weil ich den Segen spüre, ich weiß nicht, ob man das irgendwie ausdrücken kann, ich fühle mich geleitet von Gott, das macht sich an so vielen kleinen Einzelheiten fest. ....."
Aber eben nicht nur an kleinen Einzelheiten. Johann Jotzo ist Jahrgang 1933. Zweimal mußte er unter dramatischen Umständen die Flucht ergreifen, um am Leben zu bleiben. Und im Rückblick auf Johann Jotzos Leben war es wirklich mehr als unwahrscheinlich, daß er einen 70. Geburtstag jemals erleben würde.
"Schon mit 11 Jahren wurde ich aus dem Paradies der Jugend gerissen auf einem wunderbaren Bauernhof in Ostpreußen. 7 Wochen Flucht im Winter 45 bei 20 bis 25 Grad Kälte. Bei der zweiten Flucht aus der Zone hätte ich auch tot sein können, später bin ich auch von vielen schweren Unglücken bewahrt worden, so daß ich spüre: Das ist nicht mein Verdienst, sondern das ist Segen Gottes."
Nach der ersten Flucht war Jotzo von der sowjetischen Besatzung zu harter Zwangsarbeit eingesetzt worden. Ein schweres Rückenleiden war die Folge. Einhellig prophezeiten ihm die Ärzte, daß er davon nicht genesen, sondern früher oder später sicher im Rollstuhl landen würde. Als dann tatsächlich die ersten Lähmungserscheinungen auftraten, lernte Jotzo durch gezieltes Training, der Krankheit zu trotzen.
"Und ich mache seitdem etwa zwischen 30 und 35 gymnastische Übungen und auch ein bißchen Krafttraining jeden Tag, und das wirkt genau dieser Lähmung entgegen. Ich würde diese Übungen nicht machen, wenn ich kerngesund wäre, da wäre ich sehr wahrscheinlich kränker. Ich bin heute gesünder wie vor 30 Jahren."
Aber Johann Jotzo betrachtet das nicht als eigene Leistung oder als Glück, sondern als Lebensgeschenk Gottes. Mit Gottes Hilfe hat er im Westen eine neue Existenz aufbauen können. Er hat sich in der kirchlichen Jugendarbeit engagiert und hat eine Stiftung gegründet, die Projekte der Mainzer christlichen Vereine junger Menschen, der CVJMs, unterstützt. Für sein Leben hat Johann Jotzo hat eine Interpretation in der Bibel gefunden, in der Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Nachdem ihm auf vielerlei Weise übel mitgespielt worden war, bekennt Josef: "Ihr habt es böse mit mir gemeint, aber Gott hat es zum Guten gewendet."
"Ja, die Menschen haben mir die Heimat genommen, das Erbe. Ich hab aber dann durch Gott so viel Gutes erfahren, daß ich immer wieder nur staunen konnte. Gott hat mir so viele liebe Menschen an die Seite gestellt, und immer wieder ging es hinterher weiter - nicht nur weiter, sondern noch besser weiter als vorher."
Teil 3
SWR 4, Blickpunkt Kirche. Eine ungewöhnliche Pilgerreise hat Johann Jotzo von Mainz nach Ostpreußen unternommen. 1600 Kilometer zu Fuß. Warum? Mit seiner Reise wollte er vor allem Gott für sein Leben danken. Und er wollte ein Zeichen der Versöhnung und der Verbundenheit zwischen Deutschen und Polen setzen. Versöhnung: ein schwieriges Thema: Wenn sich jemand als Heimatvertriebener zu erkennen gibt, dann fürchten die einen, er könne alte Ansprüche erheben. Und die anderen im Westen, die davon nicht betroffen sind, möchten davon nichts mehr hören. Versöhnung aber kann nur geschehen, wenn offen mit der Vergangenheit umgegangen wird. Nicht um das Elend der einen mit dem Elend der anderen zu vergleichen. Sondern um gemeinsam an einer besseren Zukunft zu bauen.
"Was mich gefreut hat, das war, daß die polnischen Journalisten auch zur Kenntnis genommen haben und haben geschrieben, daß ich meine Heimat verloren habe, daß mein Erbe dort geblieben ist, und daß sie das so ganz selbstverständlich aufgenommen haben, das hab ich so zum ersten Mal erlebt. Das ist selbst in Deutschland oft noch schwierig, daß da manche Journalisten darauf merkwürdig reagieren."
Viele Zeitungen entlang der Pilgerroute haben über Jotzos Unternehmung berichtet. Die kleineren Blätter sogar auf Seite 1, wo sonst höchstens Platz für den Bürgermeister oder für den Bischof ist. Johann Jotzo hat in seinen Briefen und Ankündigungen deutlich gemacht: Ich will einen verbindenden Weg zwischen Deutschland und Polen gehen. Ich bin ein Pilger Gottes, um neues Vertrauen zu fördern. Aber da war auch noch eine persönliche Verbindung, eine alte Freundschaft aus Jugendtagen.
"Ein Schulfreund von mir, der ist dortgeblieben durch die Verhältnisse, die Mutter wurde durch die Russen vergewaltigt und verschleppt und ist dann irre geworden und nie mehr zu Verstand gekommen. Der 11jährige mußte seine Mutter dann pflegen und ernähren und das habe ich 82 bis 84 erfahren, als diese Hungerkatastrophe in Polen war und habe seitdem diesen Schulfreund Herbert unterstützt in seiner Not. Und so war damals schon klar, zum 70. Geburtstag bin ich auch wieder bei ihm. Damals war natürlich noch nicht klar, daß ich solche irre Idee haben werde, um auf Skatern zu kommen."
Die Geschichte von Johann Jotzos Pilgerreise hat mich berührt. Und mich hat fasziniert, wieviel Kraft man aus Dankbarkeit schöpfen kann und wie sehr die Dankbarkeit antreiben kann, ungewöhnliche Dinge zu tun. Dankbar aufs Leben zurückblicken: Manchmal erkennen wir erst im Zurückschauen, was unser Leben trägt und kostbar macht. So wie Josef in der Bibel. Im Nachhinein erkennt er gegenüber seinen Brüdern: Ihr habt es böse mit mir gemeint, aber Gott hat es zum Guten gewendet. Dankbar zu sein, macht Mut zu dem, was vor uns liegt.
"Ja, wenn man vor eine Situation gestellt ist im Leben und man läßt sie vorbeigehn, dann ist sie vorbei. Wenn man sie aber ergreift, dann kann ja sein, daß etwas daraus wird. Deswegen bin ich immer wieder dafür und mache es auch, neue Situationen ergreifen, reinsteigen. Wenn´s mißlingt dann mißlingt´s. Aber wenn ich zehn Mal beginne, dann gibt´s vielleicht fünf Erfolge und fünf Mißerfolge. Aber die fünf Erfolge habe ich nur, wenn ich etwas Neues beginne."
Das war der SWR 4 Blickpunkt. Heute über Johann Jotzos Pilgerreise nach Ostpreußen. Eine Sendung der Evangelischen Kirche mit Stefan Claaß aus Mainz.